Für eine sozialgerechte CO2-Bepreisung in Mittel- und Osteuropa

von Sofia Shabafrouz, GIZ / EUKI

In December 2022, the European Parliament and European Council agreed to an extended Emissions Trading System (ETS) for the transport and building sectors. ETS 2 is scheduled to commence in 2027. The expected increase in energy costs from carbon pricing will have a strong social justice dimension, especially in Central and Eastern European (CEE) countries with lower household incomes and a greater reliance on fossil energy. The EUKI project ‘Socially Just Carbon Pricing Policies in CEE’ reaches out to responsible policy-makers to help support vulnerable populations in Poland and Romania.

Veröffentlicht: 20. Juni 2023
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Die Ausweitung der CO2-Bepreisung auf weitere Sektoren, insbesondere auf den Straßenverkehr und das Baugewerbe, ist für das Erreichen der langfristigen EU-Klimaziele von entscheidender Bedeutung und zentrales Element des Europäischen Green Deals. Derzeit wird ein neuer Klima-Sozialfonds entwickelt, mit dem sichergestellt werden soll, dass sozial schwache Haushalte und Pendler*innen nicht von der Politik zurückgelassen werden. Dennoch bleibt in den kommenden Jahren noch viel zu tun, um im Detail zu bestimmen wer mit welchen Maßnahmen unterstützt werden soll und wie diese Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Grundsätzlich müssen einkommensschwache Gruppen effektiv identifiziert und entschädigt werden, wenn die CO2-Bepreisung langfristig die Unterstützung der Bevölkerung gewinnen und erhalten soll.

„Die EU hat im Klima-Sozialfonds beträchtliche Mittel speziell für sozial schwache Gruppen bereitgestellt. Mit einem Teil davon werden vielleicht Maßnahmen zur Einkommenssicherung ergriffen, doch die meisten Mittel sollten in klimafreundliche Investitionen fließen, wie zum Beispiel in die energetische Gebäudesanierung und den öffentlichen Nahverkehr, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern. Das Problem ist, es gibt keinen gemeinsamen Ansatz, um gefährdete Gruppen zu identifizieren und die möglichen Auswirkungen dieser Instrumente auf sie zu bewerten. Und es fehlt ein Bewusstsein für Maßnahmen, die zielgenau diese Gruppen unterstützen und damit für den Klima-Sozialfonds in Frage kommen könnten.“

Alexander Eden, Berater bei adelphi

Durch Wissen zu mehr Bereitschaft

Das EUKI-Projekt „Sozialgerechte CO2-Preispolitik in MOE“ zielt darauf ab, in ganz Europa und insbesondere in Polen und Rumänien für die Bepreisung von Mobilität und Heizung, potenzielle Verteilungseffekte und Optionen zur effektiven Bewältigung dieser Effekte zu sensibilisieren. Die Projektpartner Center for the Study of Democracy (CSD), WiseEuropa, Öko-Institut e.V. und adelphi arbeiten daran, das Wissen über die Auswirkungen der CO2-Bepreisung auf sozial schwache Gruppen zu vertiefen, geeignete Wege für Kompensationen zu finden und das Verständnis und die Unterstützung für Bepreisung über die Klimabubble hinaus aufzubauen. Ziel ist es, die Zielgruppen des Projekts – politische Entscheidungsträger*innen auf EU- und nationaler Ebene, Expert*innen für Klima- und Sozialpolitik, zivilgesellschaftliche Akteure und Wissenschaftler*innen – für die drängende Herausforderung zu gewinnen, die Kluft zwischen Klima- und Sozialpolitik effektiv zu überbrücken.

„Das Gesetz wurde gerade erst beschlossen. Trotzdem beobachten wir bei der Umsetzung ein schnelleres Vorankommen auf EU-Ebene als in den MOE-Ländern. Dort scheint der Weg zu einem EU-weiten Kohlenstoffpreis, der sich auf die Mobilität der Menschen und den Energieverbrauch zu Hause auswirkt, noch weit“, erklärt Alexander Eden, Berater bei adelphi, Europas führendem unabhängigen Think-and-Do-Tank für Klima, Umwelt und Entwicklung. „Da die Auswirkungen der neuen Gesetze zur Bepreisung von Kohlenstoff in den nächsten Jahren zu spüren sein werden, ist es sehr wichtig, sich bereits jetzt darauf vorzubereiten“, argumentiert Eden. „Wenn sich die Menschen durch ETS 2 ungerecht behandelt fühlen, riskieren wir politische Gegenreaktionen, die die europäischen Klimaziele untergraben und möglicherweise einen Keil in die europäische Gesellschaft treiben könnte.“ Seine Kollegin Melania Lese von CSD berichtet von ähnlichen Eindrücken aus Rumänien: „Die rumänische Regierung versucht, mit der aktuellen Energiekrise Schritt zu halten. Sie denkt ausreichend Zeit zu haben, um herauszufinden, wie sie ETS 2 sozialgerecht umsetzen kann. Sie muss jetzt anfangen über die langfristigen Auswirkungen nachzudenken, da die Gefahr einer wachsenden Energiearmut groß ist.“

Policy Lab in Bukarest mit über 30 Teilnehmer*innen aus dem akademischen Bereich, von Think-Tanks, NROs und verschiedenen Industrieverbänden, Photo: ©adelphi
Teil des Policy Labs war ein World Café, in dem Diskussionsrunden zu Energiearmut, Europapolitik bzw. Strategie stattfanden, Photo: ©adelphi

Erste Erkenntnisse

Im ersten Schritt ermittelte das Projektteam die potenziellen Auswirkungen auf die Haushalte in allen EU-Mitgliedstaaten und konzentriere sich dabei auf verschiedene Möglichkeiten zur Identifizierung sozial gefährdeter Gruppen. Sie stellten fest, dass Länder in Mittel- und Osteuropa zwar besonders anfällig für steigende Energiekosten sind (aufgrund niedriger Haushaltseinkommen, hoher Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und einer großen Landbevölkerung), es aber in jedem Land der EU gefährdete Bevölkerungsgruppen gibt.

Da jedes Land einen einzigartigen historischen, kulturellen und sozioökonomischen Hintergrund hat, ist es wichtig, den Länderkontext zu beachten. Ein genaues Hinsehen ist gefordert, um landesspezifische Lösungen zu finden. Beispiel Polen und Rumänien: In Polen wird immer noch überwiegend mit Kohle geheizt, und die ärmsten zehn Prozent der Haushalte werden voraussichtlich fast fünf Prozent ihres Einkommens für die zusätzlichen Kohlenstoffkosten des ETS 2 aufwenden müssen. 80 Prozent der ärmsten rumänischen Haushalte verwenden dagegen Holz als primäre Heizquelle, das nicht unter das ETS 2 fällt. „Die große informelle Holzwirtschaft in Rumänien macht es schwierig, die vollen Auswirkungen eines Kohlenstoffpreises auf die rumänischen Haushalte zu beurteilen“, erklärt Lese.

Die Forschungsergebnisse und Empfehlungen sollen in Kürze veröffentlicht werden. Dazu gehören ein ausführlicher politischer Bericht, Länderanalysen für Polen und Rumänien und eine Reihe von aktuellen politischen Kurzberichten. Um ihre Ergebnisse zu verbreiten und das Bewusstsein für einen sozialgerechten Strukturwandel zu schärfen, werden die Projektpartner anschließend eine Reihe von Veranstaltungen durchführen. Darunter nationale Workshops in Polen und Rumänien, ein hochrangiges Seminar für politische Entscheidungsträger*innen und Expert*innen aus der gesamten MOE-Region, einen politischen Workshop in Brüssel, der sich an die politische Gemeinschaft der EU richtet, und einen eintägigen virtuellen Schulungskurs über die sozialen Dimensionen der Kohlenstoffpreisgestaltung. Die Ergebnisse werden anschließend auf der Projektseite und auch hier auf der EUKI-Webseite veröffentlicht.

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